BESCHREIBUNG ZUM ERINNERUNGSEFFEKT BEI FARBE



Ausgangssituation
In der Farbtheorie sind optische Täuschungen durch sich gegenseitig beeinflussende Farben schon seit längerer Zeit bekannt, Johannes Ittens Farblehre systematisierte sie wohl am prominentesten. Nun ist es Wissenschaftlern um Thorsten Hansen an der Universität von Gießen gelungen, experimentell einen weiteren Faktor der Farbnehmung, nämlich den Einfluss der Erinnerung, zu bestätigen.
Versuchsaufbau
Den Testpersonen wurden auf einem Computerbildschirm Grafiken von übersättigten bunten Früchten mit zufällig generierter Farbe auf grauem Hintergrund gezeigt, beispielsweise eine blaue Banane (linke Abbildung), in anderen Fällen eine orangene Erdbeere oder roter Salat. Die Probanden sollten nun mit Hilfe einer speziellen Software die Sättigung manuell so justieren, dass die Grafik monochrom erschien (mittlere Abbildung).
Ergebnis
Das verblüffende Resultat des Experimentes war die Erkenntnis, dass keiner der 14 Probanden die Abbildungen zu neutralem Grau ausfärbte, sondern dass alle Teilnehmer den Früchten einen Farbstich in die jeweilige Komplementärfarbe gaben, die Banane wurde also mit einem Violettanteil eingefärbt (rechte Abbildung, zur Verdeutlichung des Effekts übersättigt). Bei Objekten hingegen, die keine klare Grundfarbe besaßen, erzeugten die Probanden ohne Schwierigkeiten echte Graustufenbilder.
Das Ergebnis des Experiments weist darauf hin, dass graue Bilder eines bekannten, typischen Objektes von dem menschlichen Wahrnehmungsapparat automatisch mit einer gewohnten Grundfarbe belegt werden, was im Umkehrschluss das „Übersteuern“ einer Abbilung in ihren Komplementärbereich erzwingt, wenn ein neutraler Graueindruck entstehen soll.
Auswirkung
Der entdeckte Effekt ist überall dort relevant, wo Design mit typischen Grundformen erreicht werden soll. Ein mit grauen Ziegeln gedecktes Satteldach müsste also, um subjektiv grau zu wirken, einen Stich ins Grüne erhalten, farbiger Sichtbeton müsste analog stärker gefärbt werden, um den typischen Graueindruck zu kompensieren. Wer also den Eindruck völliger Unbuntheit im Design erreichen möchte, müsste aktiv der erinnerten Farbe entgegensteuern.
Vgl. Thorsten Hansen, Maria Olkkonen, Sebastian Walter & Karl R. Gegenfurtner: Memory modulates color appearance. In: Nature Neuroscience 9, 2006, S. 1367-1368.